Ein Kreuz im Walde
Ein Kreuz im Walde
von Friedrich Wilhelm Weber

Caspar David Friedrich (* 5. September 1774 in Greifswald; † 7. Mai 1840 in Dresden) war ein deutscher Maler, Grafiker und Zeichner. Er gilt heute als der bedeutendste Künstler der deutschen Frühromantik.
Ist die Drossel weggezogen,
Fahl und kalt der Wald geworden,
O wie ist die Welt so stille,
O wie ist so grau der Norden
Und der Menschengeist, der ernste,
Mag in Sinnen und in Denken,
Träumen, Hoffen und Erinnern
Winterlang sich gern versenken.
Und die alte Donnereiche,
O wie lag der Wald so stille,
Müder Schläfer, kalt gebettet
In des Nebels weiche Hülle.
Silbergraue Fadennetze,
Spinnwebschleier bebten lose
Um Gerank, um Klett und Distel
Fingerhut und Hagerose.
Jetzt ein morgenfrisches Hauchen,
Und der Dunst versank im Grunde:
Seltsam! Waren Geisterhände
Tätig hier zur nächt`gen Stunde?
Nah dem Stamm des Riesenbaumes
Stand ein Kreuz, aus Birkenstäben
Roh gefügt und schlicht gebunden
Mit des Waldes wilden Reben.
Dran ein Kranz von dunklen Dornen,
Und wie Rauch vom Opferherde
Stieg ein dünnes blaues Wölkchen
Aus der frisch gegrabnen Erde.
Hier ein Kreuz? Von wem errichtet?
Frage die im Schlaf gestörten
Waldeswipfel, die es sahen,
Frag die Sträucher, die es hörten;
Frag die Spur im Reif des Grases,
Wo zwei kleine Füße standen,
Die durch dürre Binsen streiften
Und im Birkenbusch verschwanden.
Und zur Nacht an diesem Orte,
Den am Tage zu betreten
Jäger fürchten, den der Heide
Scheu besucht zu stillen Beten.
Und warum? In welcher Meinung?
Soll es einem, der geschieden,
Frieden geben, weil er wandert
Ruhelos und ohne Frieden?
Soll es ein Verbrechen sühnen,
Finstrer Tat geheime Qualen?
Soll es eines Gottgelübdes
Längst verjährte Schuld bezahlen?
Oder ist es einer Seele
Demutsvolle Weihespende,
Dass erbarmungsreich der Himmel
Ein Geschick zum Guten wende?
Menschenbrust, wohl bist du tiefer
Als des Berges tiefste Schlünde;
Menschenherz, wohl rätselhafter
Bist du als die Meerabgründe!
Und Gedanken, lichte, dunkle,
Rastlos wie die Wasserwelle,
Gehn bis mitten in den Himmel,
Gehen bis mitten in die Hölle;
Nachtgedanken, Neidgedanken,
Mordgedanken, die nicht schlafen,
Eh Verleumdung, Gift und Eisen,
Todeswund Ihr Opfer trafen;
Lichtgedanken, in der Erde
Blumenfülle sammeln möchten,
Um im reichsten Kranz die schönsten
Um ein teures Haupt zu flechten;
Die aus goldnen Sonnenstrahlen
Helm und Brünne möchten weben,
Um vor Wund und Weh zu schützen
Ein geliebtes holdes Leben!
Die auf schneeigem Gefieder
In den blauen Äther fliehen
Und wie blasse Bettelkinder
Stumm am Tor der Gnade knieen.
Um die alte Donnereiche
Lag die Welt in düstrer Trauer;
Von dem Kreuz, der Dornenkrone
Tropft es sacht wie Tränenschauer.
Und im Wald ein kleiner Vogel
Zirpte leise, leise Klagen:
„Harter Winter, trüber Winter,
Lange Nacht: -wann wird es tagen?“
Friedrich Wilhelm Weber
Politiker
Friedrich Wilhelm Weber war ein deutscher Arzt, Politiker und Dichter. Bis 1857 benutzte er das Pseudonym „B. Werder“. Als Sohn eines Försters in Alhausen, heute ein Ortsteil von Bad Driburg, am 1. Weihnachtstag 1813 geboren und in der ländlichen Idylle am Fuße des Eggegebirges aufgewachsen, legte Weber 1833 am Gymnasium Theodorianum in Paderborn seine Abiturprüfung ab. 1834 begann er sein medizinisches Studium in Greifswald und Breslau, das er 1839 mit der Promotion zum Doktor der Medizin summa cum laude abschloss.
Im Jahre 2018
Rainer Kuhn
Fotos falls nicht anders angegeben von Rainer Kuhn
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